Kleinfamilienkiste

Als Peter mit seiner Freundin zusammenzieht, passt sein gesamtes Leben auf einen Veloanhänger. Er betrachtet die zwei Umzugskisten und staunt: So wenige Dinge gehören ihm. Mit seinen Habseligkeiten im Schlepptau fährt er auf seinem Velo zu seiner schwangeren Partnerin, um mit ihr einen gemeinsamen Hausstand in ihrer bisherigen Wohnung zu gründen. Zurück bleibt sein WG-Zimmer in seiner Studentenwohnung, zurück bleibt ein ererbter Schrank, zurück bleibt sein früheres Leben als Junggeselle.

Im Bauch seiner Partnerin wächst ein Kind. Und wenn man ein Kind zusammen hat, dann wohnt man zusammen. Denkt Peter. Denkt seine Freundin. Denken anscheinend alle.

Fünf Jahre lang halten sie durch. Das Kind wird geboren, eine Kaffeemaschine wird gekauft, Kindermöbel, Erwachsenenmöbel. Sie schaukeln das Kind in den Schlaf, sie saugen Staub, sie machen den Abwasch, sie arbeiten. Sie bekommen ein zweites Kind. Sie schaukeln das Kind in den Schlaf, sie saugen Staub, sie waschen ab, sie arbeiten.

Irgendwann geht es nicht mehr.

Sie haben Angst davor, was kommt, wenn das Kleinfamilienidyll gescheitert ist. Wird das Geld reichen für zwei Wohnungen und die Alimente? Wie wird es für die Kinder? Wie wird es ohneeinander? Wie bleibt man eine Familie, wenn man kein Paar mehr ist?

Peter zieht aus. Seine Sachen passen wieder auf einen Veloanhänger. Er nimmt sich eine kleine Wohnung, zwei Zimmer, 50 Quadratmeter, Neubau. Er lässt die Möbel zurück und das Chaos, das Familien mit kleinen Kindern umweht. Nur die Kaffeemaschine, die nimmt er mit. Er kauft sich schöne Holzmöbel, Stühle von Horgen Glarus, einen Staubsaugroboter, eine Spülmaschine und sehr guten Kaffee.

Plötzlich ist es sehr ordentlich bei ihm und genau so, wie er es will. Nicht Peter spült, sondern die Spülmaschine.

Wenn die Kinder zwei Tage pro Woche zu ihm kommen, legt er je eine Matratze links und eine rechts neben sein Bett – eine Familien-Liegelandschaft. Die Kinder mögen das.

Als Corona kommt und alle komisch werden, kauft er sich eine Hütte am Waldrand.

Ab diesem Zeitpunkt lebt er ein halbes Jahr in der Hütte und ein halbes Jahr in seiner Genossenschaftswohnung. Nun möchte das seine Genossenschaft nicht mehr, von wegen Gemeinschaft und Halbjahreshippies, die nicht immer da sind.

Peter wird also wieder umziehen. Seine Kinder werden sich an den neuen Ort gewöhnen. Entweder wird es eine Papi-Männer-WG oder er probiert mit seiner Ex-Partnerin, die vielleicht wieder seine Partnerin ist, das Nestmodell aus. Das Kind, das er zwischenzeitlich mit einer anderen Frau bekommen hat, mit der er aber nicht mehr zusammen ist, wird in der gemeinsamen Wohnung auch willkommen sein.

Nur eins kann Peter sich nicht vorstellen: wieder dauerhaft mit einer Frau zusammenzuwohnen. Denn über den Haushalt streiten, das findet er mit Männern einfacher. Wegen der grösseren Distanz. Und weil er sich mit Männern weniger beeinflussbar fühlt.

Was auf alle Fälle mitkommt in die neue Wohnung: seine scharfen Messer, der Staubsaugroboter und die Kaffeemaschine. Und sehr guter Kaffee.

Peter erklärt, warum Familie-Sein ohne gemeinsamen Haushalt besser geht und warum er lieber mit Männern zusammenwohnt.

Anna Pieger

Geboren 1981 in München, studierte an der Universität Basel Kunstgeschichte und Philosophie. Ihr literarisches Schaffen umfasst Prosa und Lyrik sowie journalistische Beiträge für das Kulturmagazin ERNST. Sie lebt mit ihrer Familie in Basel und ist als Co-Leiterin einer Sekundarschulbibliothek tätig.