Erst musste ich mich vergrössern.
Damals brauchten wir mehr Platz. Aber ich wollte kein Haus, das war mir zu spiessig. In Zürich fanden wir nichts von der richtigen Grösse. Wir beschlossen, nach Winterthur in eine selbstverwaltete Wohnung zu ziehen.
In dieser Anlage waren alle ähnlich gesinnt: Die Erwachsenen feierten, die Kinder kampierten. Für damals war das ziemlich alternativ. Es gab Freiraum, Rückzug war möglich, aber man konnte sich auch verlieren, denn es war so viel los, es war ein Dorf im Dorf, eine grosse Familie.
Das Zügeln war ein Riesenstress. Die Erwachsenen zügeln, die Kinder sind bei den Grosseltern. Aber meine Tochter ist erst ein paar Monate alt, ich kann sie nicht alleinlassen. Sie brüllt, sie protestiert, ich versuche sie zu beruhigen, die anderen müssen meinen Part übernehmen. Ich war gefrustet, ich packe gern zu. Ich war Zuschauerin bei meinem eigenen Umzug.
Beim Auszug meiner Tochter habe ich aber mitgeholfen. Danach musste ich mich verkleinern. Ich liess das Familienleben zurück, ich nahm Abschied von der gemeinsamen Zeit, ich brachte die Vergangenheit hinter mich. Es entstand Raum für Neues. Ich zog in ein Mehrfamilienhaus, Neubau, alles frisch, kahl, kalt. Über die Jahre wuchs alles zu. Heute erdrückt mich dieses Grün fast.
Und meine jetzige Wohnung ist auch schon zu gross. Ich würde mich gern weiter verkleinern. Zwei Zimmer, fünfzig Quadratmeter, vielleicht neunundfünfzig. Und wieder selbstverwaltet. Dann wäre ich wieder mit vielen Leuten. Das vermisse ich jetzt. Ich arbeite nicht mehr, ich könnte jemandem helfen, gärtnern, einkaufen, kochen für die Gemeinschaft, Kinder hüten. Wenn man sich verkleinert, hat man mehr Raum für Grösseres.
Zu wenig oder zu viel Platz hat man eigentlich immer, weiss R