Wo die Kontrolle war

Orte, versteckte Orte? Gute Frage! Aber da kommt mir grad nichts in den Sinn … leider …
Wobei: Immer mal wieder neue Orte zu entdecken, das ist mir persönlich wichtig, doch. Aber ein Rückzugsort, ein bestimmtes Bänkli, damit kann ich nicht dienen.
In der Kindheit? Na, die Heimat, aber das ist ja klar. Nee, da kann ich nichts Spannendes erzählen. Tut mir leid.
Aber ein cooles Projekt … und das in Winterthur!
Ich bin gerne hier, Zürich ist ein bisschen snobby, aber Winterthur war eine alte Arbeiterstadt, das merkt man immer noch. Insgesamt ein guter Ort – aber wir haben kein Wasser hier, keinen See, keinen zugänglichen Fluss, das ist schade. Es gibt schon einen Fluss, ein kleines Rinnsal, der geht unter dem Bahnhof, verläuft unter der Strasse, ein Kilometer in absoluter Dunkelheit, so geheimgangmässig: Früher war das für die Kinder eine Mutprobe, da durchzugehen, Sie können da durchlaufen, wenn Sie wollen – da haben wir ihn, einen versteckten Ort.

Und kennen Sie das Museum Schaffen? Das erzählt auch schöne Geschichten. Und der Platz ist cool, der Lagerplatz, der war früher ganz verschlossen. Da war ein grosser Betrieb, Sulzer hiess der, glaube ich, doch: Sulzer hiess der, die haben Schiffsmotoren hergestellt, soweit ich weiss; überhaupt Maschinen. Da durften nur die Arbeiter rein, sonst niemand. Heute sieht man noch das Portier-Häuschen, wo die Kontrolle war. Das war wie eine abgeschottete Stadt, das war die verbotene Stadt von Winterthur.
Warum man da nicht reindurfte? Spionage?!

Frank Keil

Geboren und aufgewachsen in Hamburg an der Elbe. Seit Mitte der 1990er-Jahre ist er als freier Kulturjournalist und Autor unterwegs. Diverse Texte und Strecken für den ERNST; ausserdem Mitbetreiber der Plattform www.maennerwege.de. Aktuell schreibt er an seinem autofiktionalen Romanprojekt „Ich weiss nichts über meine Familie, suche sie aber trotzdem“, für den er 2022/23 einen Literaturpreis der Stadt Hamburg erhielt. Ausserdem Bahnfahrer, Frühaufsteher, Kleingärtner und Mettbrötchen-Fan.