Winterthur resoniert I

Meine erste Anschaffung in Winterthur war eine Gitarre.

Ich war Musiklehrer in Deutschland, in Ostwestfalen, in Soest. Die Schule habe ich verlassen. Und die Wohnung in Soest wird aufgelöst. Bislang war es ein Umzug auf Raten, Fahrt für Fahrt, peu à peu. Jetzt aber muss ich entrümpeln – da überlegt man dreimal, was man mitnimmt. Die Materialien aus dem Schulunterricht werde ich wegschmeissen; das ist befreiend. Die Gespräche mit meinen Schülern werden trotzdem weiterhin in meinem Kopf tönen.

Was ich aber in Winterthur brauchte, war eine neue Gitarre, und ich wollte eine aus Zedernholz, da hatte ich im hiesigen Laden gleich acht zur Auswahl. Der Winterthurer Gitarrenladen hat ein Riesenangebot an klassischen Gitarren. Für meine alte musste ich damals nach Spanien fahren, hab fünfzehn ausprobiert, es dauerte ein paar Wochen, nur um sie auszusuchen. Hier hatte ich sie sofort gefunden.

Mit der neuen Gitarre fing auch ein neuer Abschnitt an, ein neues Leben. Ich stimmte die Gitarre, und ich stimmte mich auf Winterthur ein. Und da begann auch Winterthur in mir zu resonieren.

Wie sich Paul auf Winterthur einstimmt, erzählt uns der 59-jährige.

Alexander Estis

Alexander ist Schriftsteller. Geboren 1986 in Moskau in einer jüdischen Künstlerfamilie, kam er 1996 nach Deutschland. Nach dem Studium lehrte er deutsche Sprache und Literatur an mehreren Universitäten. Seit 2016 lebt er in der Schweiz. Insgesamt hat Alexander Estis bislang sieben Bücher veröffentlicht, zuletzt den Prosaband »Fluchten« bei der edition mosaik. Für FAZ, NZZ, SZ, DIE ZEIT und andere Zeitungen schreibt Alexander Estis Kolumnen, Essays und Kommentare; seine Radiobeiträge sind regelmässig im Deutschlandfunk zu hören. Für seine Arbeit wurde er mehrfach ausgezeichnet; derzeit residiert er als Stadtschreiber in Dortmund.