Die 31 jährige Erzählerin erinnert sich an ihren Zwillingsbruder.
Immer wieder dasselbe: Stand ich da, kam Reto von hinten an, jauchzte, umklammerte mich mit seinen kräftigen Armen, um sich dann mit seinem ganzen Körpergewicht an mich dranzuhängen. Und ich? Ich liess ihn gewähren. Typisch mein Zwillingsbruder, dachte ich mir. Gewicht abgeben, das konnte er gut. Und ich habe ihn getragen. Meistens war das so. Ging es ihm schlecht, war ich es, der ihn tröstete. Konnte er nicht einschlafen, war ich es, der ihm eine Geschichte vorlas. Hatte er in der Schule Probleme, war ich es, die sie sich anhörte. Ich war die Vernünftigere, schon von Anfang an. Ich war aber auch die, die weniger Platz für sich in Anspruch genommen hat. Schliefen wir im selben Bett, breitete er sich aus. Und ich bewegte mich, eingeklemmt im kleinsten «Eckli», die ganze Nacht über kaum. Schon im Mutterbauch liess mir Reto kaum Platz. Die Ärzte mussten uns notfallmässig per Kaiserschnitt rausholen. Typisch mein Zwillingsbruder.