Janet versucht, die Zahl ihrer Umzüge in ihrem Leben zu zählen. Die Fünfzehnjährige ist sich nicht sicher. Waren es fünf oder sechs? Von Andelfingen nach Henggart und von Henggart nach Winterthur. Und dann einmal ins Heim und wieder zurück. Und nochmal ins Heim und wieder zurück. Und dann zu Andréa und Sofia und Mailin.
Da wohnt Janet nun seit über einem Jahr und fühlt sich sehr wohl. Ihr Lieblingsort ist das Wohnzimmer. Oft seien Kollegen von Andréa und Mailin zu Besuch und das sei cool, es gebe immer jemanden zum Reden.
Janet braucht ihre engen Freunde, um sich zuhause zu fühlen. Und Sofia, die, seit sie zusammenwohnen, von ihrer besten Freundin zu ihrer Schwester geworden ist. Seither streiten sie zwar häufiger, aber sie stehen sich auch sehr nahe. Sie tanzen zu Musik durchs Wohnzimmer, und unter der Woche schlafen sie oft im selben Bett. Manchmal machen sie aber auch die Zimmertüre zu und machen ihr eigenes Ding. Beides sei okay.
Gegenstände sind Janet nicht so wichtig. Sie ist gewohnt, dass Dinge kommen und gehen. Das Haus ihrer Kindheit in Henggart wurde abgerissen. Jeder Umzug brachte neue Möbel, neue Kleider, manchmal auch ein neues Handy. Janet versucht, das gelassen zu nehmen. «Nicht alles bleibt für immer» klingt aus ihrem Mund nicht wie eine Floskel, sondern wie hart erarbeitete Weisheit.
Das zweite Mal im Heim fand sie den Horror, das erste Mal war nicht schlimm, aber schon da wollte sie am liebsten zu Andréa, Mailin und Sofia ziehen. Schliesslich stimmten auch die Behörden zu.
In Zukunft könnte sich Janet auch vorstellen, auf dem Land zu wohnen, denn eigentlich sei sie ein Landkind. Auf dem Land sei es ruhiger, und das mag sie. Aber die Stadt habe auch Vorteile, alles sei in der Nähe, die ÖV-Verbindungen seien gut. Janet sagt, sie möchte in ein paar Jahren selbstständig sein und eine eigene Wohnung haben. Aber im Moment fühlt sie sich so wohl bei ihren Pflegeeltern, dass sie sich auch vorstellen kann, noch lange dort zu wohnen.
Zum Abschluss des Gesprächs streckt Janet Andréa und Mailin grinsend ihren neuesten Flohmarktfund entgegen: gelb-schwarz gestreifte Nike Dunks mit gelber Sohle. Andréa und Mailin nicken anerkennend. Guter Fund.
Janet, 15, musste in ihrem Leben oft umziehen, um richtig anzukommen.