Ich bin in den letzten Jahren öfters umgezogen. Ankommen, neu anfangen, dem liegt etwas Schönes inne. Befreit sein, ausgerümpelt, neu eingeräumt, alles durchgeputzt. Es zählt nur das Jetzt. Ich mag das. Dinge hinter mir lassen. Je weniger ich habe, desto freier fühle ich mich. Man braucht ja gar nicht so viel, wie man immer meint. Nur eine Sache gibt es, von der ich mich nicht trennen kann. Und ich weiss gar nicht recht, warum. Also eigentlich könnte ich es schon, ich bin ja kein emotionaler Mensch, der sich an Dinge hängt. Nur tue ich es einfach nicht. Ich nehme sie immer mit. Überall hin. Diese blöde Steinplatte.
Sie dient mir als Tisch. Aber zum Zügeln ist sie einfach viel zu schwer. Jedes Mal denke ich: «Nur noch einmal.» Die Zügelmannschaft, seit zwanzig Jahren mehr oder weniger dasselbe Team, beschwert sich auch jedes Mal. Die letzten Jahre bin ich etwa fünfzehn Mal umgezogen. Meine Tochter hat immer ein Zimmer bei mir. Die Gründe für die Umzüge waren entweder ein Berufswechsel oder ein Beziehungswechsel. Einmal auch, weil ich, kaum dass ich den neuen Mietvertrag unterschrieben hatte, eine bessere Wohnung bekommen habe. Da wartete ich in der erst gerade bezogenen Wohnung die Kündigungsfrist von drei Monaten ab. Der Umzug war dann sehr einfach, die Kisten standen ja bereits gepackt da. Ich hatte sie erst gar nicht ausgepackt.
Mein letzter Umzug ist nun drei Jahre her. Damals habe ich komplett alles hinter mir gelassen. Ausser meinen Kleidern nahm ich nur zwei Dinge mit: den Fernseher – und diese blöde Steinplatte. Alles andere blieb bei der Ex. Das war sehr schön, total befreiend. Jeglichen Ballast abwerfen. Ein echt gutes Gefühl. Gut, im Nachhinein denkt man ab und an schon, dieses oder jenes hätte ich schon noch brauchen können oder das vermisse ich. Aber die Wohnung füllt sich jeweils wie von allein wieder. Manchmal ist es mir schon ein Rätsel, woher das Zeug alles kommt. Klar gibt’s immer Leute, die einem Dinge schenken, die sie nicht mehr brauchen. Trotzdem wundere ich mich, dass ich schon wieder so viel habe. Ich versuche immer mal wieder, etwas loszuwerden. Aber meist will es keiner mehr haben. Aktuell lebe ich in einem Chaos. Ich arbeite einfach zu viel und bin zu viel unterwegs. Heimkommen ist für mich ins Bett gehen, schlafen, aufstehen, duschen, anziehen, arbeiten gehen. Die Kleider türmen sich auf zwei Seiten, auf der schmutzigen und auf der sauberen. Aber ja, es ist nicht weiter schlimm. Schliesslich habe ich noch einen Garten, der ist immer schön gepflegt. So kann ich dem Chaos drinnen ausweichen. Die Wohnung ist an sich super. Toller Altbau mit Holzheizung. Sehr gemütlich. An kühlen Abenden muss ich warm duschen, ein Feuer machen lohnt sich meist nicht. Wenn ich zum Fenster rausschaue, sehe ich Bäume. Aber meistens ist es ja bereits dunkel.
Ich hoffe, dass es bald besser wird und ich mehr Zeit daheim verbringen kann. Ich vermisse es schon, dieses ganz normale Leben in der eigenen Wohnung. Es macht schon was mit einem, ob man in seiner Wohnung wirklich lebt oder ob sie nur so ein Aufenthaltsort für die nötigsten Versorgungen ist. Man geht dann auch nicht so gerne heim. Befriedigend ist das nicht. Denn das Zuhause ist da, wo man lebt.
Christian ist 43 Jahre alt, lebt, wie er sagt, gerade im Chaos, kann meistens emotionsfrei alles hinter sich lassen – und sehnt sie aber doch: nach dem «normalen Leben».