«Ich bin eher unstet»

Ich war total durch den Wind. Damals. Das Zurücklassen der Beziehung, das Verlassen der schönsten Wohnung, die ich je hatte, das Ende meines bisherigen Berufes als Werklehrerin, der Beginn eines Studiums: Das war einerseits eine Befreiung, andererseits ein kompletter Bruch in meiner Biografie. Alles war im Wandel und kam ins Wanken. Und ich hatte kein Geld. Ich fand eine ganz kleine Einzimmerwohnung hier in der Stadt. Also eigentlich war es nur ein kleines Zimmerchen mit einer winzigen Küche. Mega improvisiert, aber doch recht hübscher Altbau. So tinymässig im Vergleich zu dem, was ich hatte verlassen müssen. Und die Wohnung war sehr günstig. Ich packte meine Sachen bei meinem Ex-Partner. Mit dem vollbepackten Auto fuhren mein Vater und ich in Richtung dieser neuen Wohnung. Auf dem Weg dorthin merkte ich, ich kann nicht. Ich kann dort nicht einziehen. War es der Geruch in diesem Treppenhaus? Das Kleinräumige der Wohnung? Das Alleinsein? Ich wusste einfach, ich muss wo hin, wo ich aufgehoben bin. Ich hatte noch nie in meinem Leben allein gelebt. Und gerade jetzt, wo alles eingestürzt war, erschien es mir unmöglich.  Wir hielten vor dem Haus, ich ging zum Vermieter und sagte: «Tut mir leid, ich komme nicht. Ich kann nicht.» Wir fuhren wieder los, mein Vater am Steuer, und ich rief von unterwegs meine Freundinnen an, mit denen ich früher mal zusammengewohnt hatte. Sie sagten: «Komm zu uns.» Und noch während ich mit Papa dorthin fuhr, räumten sie ein Zimmer frei für mich. Ich kam an, konnte mich fallenlassen. Und sie haben mich aufgehoben. Ich blieb ein Jahr bei ihnen.

Seither bin ich einige Male umgezogen. Aktuell lebe ich mit meinem neuen Partner zusammen. Dieses einsam Zweisame ist aber nicht so mein Ding. Ich lebe gerne gemeinschaftlicher. Grundsätzlich bin ich eher unstet. So nach drei, vier Jahren treibt es mich oft weiter, dann möchte ich wissen, was es sonst noch für spannende Orte gibt. Ich warte, bis das Gefühl dringend wird. Bis sich dann der Wunsch nach Veränderung aufdrängt. Dann packen wir unser Zeug, brechen auf und ziehen weiter. Ein neues Leben beginnt.

Wer lebt, erlebt Brüche, Einschnitte. Bei der heute 31-jährigen Paula passierte es vor sieben Jahren.

Anita Zulauf

Anita wurde 1967 als viertes Kind eines Schweizers und einer Österreicherin geboren. Als Quereinsteigerin in den Journalismus schrieb sie ab 1995 für die Berner Zeitung, das Solothurner Tagblatt, die Migrationszeitung Mix, das Magazin wir eltern, das Kulturmagazin ERNST und ist Mitglied der Edition ERNST. Obwohl ihr Themenspektrum breit ist, liegt ihr Interesse primär bei Menschen, Geschichten übers Leben und Biografien. Durch die Ausbildung zur Fotografin und die Weiterbildung zur Videoproduzentin ist sie aktuell neben dem Schreiben mit dem bewegten Bild und der Fotografie beschäftigt.