Das Kind

Das Kind geht sofort in sein Zimmer. Es setzt sich auf seinen Spiele-Teppich, eine Landschaft aus Strassen und Häusern. Es steht auf, es zieht die Tür ran. Und dann ein Knall. Und noch einer und noch einer. Als würde ein Regal umgekippt, als würde ein Kieslaster seinen Kies ausschütten, mitten auf die Strasse. Die Kiste mit dem Lego, die Kiste mit dem Playmo, die Kiste mit der Brio-Eisenbahn, alle ausgeschüttet, in einem Rutsch.

Und wir gehen wieder runter zum Auto, holen die nächste Fuhre hoch, das Bettzeug, die Wäsche, die wir in die Maschine stopfen, die wir gleich anstellen, dann haben wir das hinter uns, dann ist das erledigt. Und dann decken wir auf. Drei Teller, drei Tassen, was noch im Kühlschrank war, und das, was wir mit nach Hause gebracht haben, Fischpaste und Aufbackbrötchen.

Wir schauen nach dem Kind, wir öffnen vorsichtig die Tür: Es sitzt da, auf dem Boden, inmitten all seiner Spielsachen, und baut seine Welt und bemerkt uns gar nicht. Wir sind sicher, es ist glücklich und alles ist gut, und wir schliessen die Tür leise und lassen das Kind in Ruhe und essen eine Kleinigkeit, froh, wieder zu Hause zu sein.

Wie es war damals, als P. noch ein Kind war.

Frank Keil

Geboren und aufgewachsen in Hamburg an der Elbe. Seit Mitte der 1990er-Jahre ist er als freier Kulturjournalist und Autor unterwegs. Diverse Texte und Strecken für den ERNST; ausserdem Mitbetreiber der Plattform www.maennerwege.de. Aktuell schreibt er an seinem autofiktionalen Romanprojekt „Ich weiss nichts über meine Familie, suche sie aber trotzdem“, für den er 2022/23 einen Literaturpreis der Stadt Hamburg erhielt. Ausserdem Bahnfahrer, Frühaufsteher, Kleingärtner und Mettbrötchen-Fan.