Also: Ich habe ein Klappfahrrad von BROMPTON, das hat mich viel Geld gekostet; das ist eine englische Marke und es ist wirklich Millimeterarbeit, dass alles perfekt passt beim Zusammenlegen, dass die Kabel für das Licht passen und überhaupt alles ganz genau stimmt, beim Zusammenklappen, und das ist wirklich gerade mein Lieblingsding. Ich kann es mit auf den Zug nehmen, zusammengeklappt und irgendwo aussteigen; dann klappe ich es wieder auseinander, steige auf und fahre weiter. Und dann kann ich irgendwo wieder anhalten, es zusammenlegen, einsteigen, mitfahren, das finde ich wirklich, wirklich schön.
Ich bin ja jetzt Rentnerin, wie man so sagt, gell. Sie lacht. Das heißt, ich habe viel Zeit oder ich habe mehr Zeit als vorher.
Neulich bin ich zum Beispiel mit dem Zug nach Sargans gefahren, dort ausgestiegen und weiter bis nach Chur, habe dort zu Mittag gegessen, habe mich verwöhnen lassen, habe dort übernachtet. Und wie ich dort so hochgefahren bin, am Rhein entlang, der ist dort etwas eingepfercht, kam mir eine Gruppe entgegen, vielleicht 30 oder ein paar weniger, auf Mofas und Mopeds fuhren sie hintereinander her, keine Jugendlichen, sondern Leute in eben meinem Alter. Und alle so lässig mit der rechten Hand: Hey … so cool!
Ich habe solche Angst gehabt, sagt sie und nickt. Vor der Pensionierung. Ich habe gedacht, ich werde ganz unglücklich. Ich habe gedacht, ich habe keine Verbindungen mehr, die Kontakte werden weniger und weniger, aber das ist nicht passiert, und jetzt bin ich ganz zufrieden, alles ist gut.
Es ist ganz leicht und wendig, das Rad, weißt du, erzählt sie. Neulich hatte ich einen Schaden, und wie es in der Reparatur war, hat mir der Fahrradhändler ein großes E-Bike gegeben, als Ersatz, bis es wieder bereit ist.
Ich kann damit schon fahren, aber es macht mir keine Freude. Es ist mir zu groß, zu sperrig, zu schwer, es ist so behäbig, man muss so planen, es ist nicht spontan, auch in der Bewegung nicht.
Wenn ein großes Fahrrad ein bisschen kippelig ist, falle ich gleich um. Und mit dem kleinen bin ich richtig, richtig wendig.
Es ist ja nicht das Ding als solches, ich habe keine Beziehung zu meinem Fahrrad, es ist ein Fahrrad, aber das Gefühl, das ich leben kann, diese Selbstbestimmung, nicht mehr im Beruf eingebunden zu sein, auch wenn ich meinen Beruf sehr gern gemocht habe, und jetzt kann ich im Zug sitzen und denken: ‚Ach, komm … ich steig mal aus‘. Diese Freiheit zu haben, das ist das eigentliche Lieblingsding.
Das Lieblingsding führt eigentlich zum Lieblingsgefühl.
Sie kommt am nächsten Tag noch mal vorbei, es passte, sie zeigt das Rad, klappt es mit zwei, drei Griffen vor mir zusammen, ohne weiter hinzuschauen; das Rad, da ist es. Das Klappfahrrad.
Wir trinken vor dem Versa im Rathausdurchgang einen Kaffee zusammen, also ich noch einen Cappuccino, sie einen Tee, wir unterhalten uns, kommen auf unsere alten Eltern zu sprechen, also wer von ihnen noch lebt: bei ihr ihr Vater, von dem sie gerade her kommt, bei mir unsere Mutter, grad in weiter Ferne, beide 91 Jahre alt, was ein Zufall, je nicht immer einfach, manchmal schwierig, man muss sich kümmern, will es ja auch, es gehört dazu, und im Grunde geht alles gut, was für ein Glück, so reden wir, und das Klapprad (Marke BROMPTON) hört uns zusammengeklappt dabei zu: weisser Rahmen, schwarzer Lenker, schwarzer Sattel, auch das Sattelgestänge ist schwarz, schwarze Reifen; der Helm, der am Lenker hängt: schwarz-weiss.
Vielleicht gehört beim Unterwegssein dazu, sagt sie, während sie aufsteht, sich bereit macht, weiter zu radeln, dass ich mich körperlich fortbewege, um diese Freiheit zu empfinden. Man könnte auch statisch an einem Ort bleiben, wo dann die Fantasie wegfliegt: etwa Bücher schreiben. Oder Geschichten wie diese. Hauptsache sei es doch, in Bewegung zu bleiben.