Meine Frau hat so eine übermenschliche Superkraft. Ganz ähnlich wie Iron Man, Thor, Captain Marvel oder Spiderman. Nur dass sie eben keine Spinnenfäden aus den Handgelenken schiessen, keine Gebäude hochklettern kann und weder ein Exoskelett noch einen Hammer besitzt. Sie kann nichts zu Eis erstarren lassen und auch kein Feuer erschaffen. Aber: Sie findet vierblättrige Kleeblätter. Und das immer und überall. Ich meine: kein Spaziergang – wirklich kein Spaziergang! – auf dem sie am Wegesrand kein vierblättriges Kleeblatt finden würde. Manchmal steigt sie sogar mitten in der Stadt von ihrem Velo ab und pflückt kurzerhand ein vierblättriges Kleeblatt, das verkümmert zwischen Asphalt hervorsticht.
Sie irrt sich kaum je; wenn sie sich bückt, sieht meine Frau – die sonst seltsamerweise, ich kann’s mir wirklich nicht erklären, nicht die allerbesten Augen hat – ein Vierblättriges. Sie erkenne, sagt sie, die Unregelmässigkeit im Muster einer Wiese.
Ziemlich nerdig, nicht?
Ich stelle mir vor, wie man sie im Götterolymp fragte, über welche Superkraft sie gerne verfügen würde, ob sie sich lieber unsichtbar machen oder Felsblöcke durch die Luft werfen möchte. Und meine Frau sagte: «Ich würde gerne jeden Tag vierblättrige Kleeblätter finden. So könnte ich den Menschen jeden Tag Glück schenken.» Naja, ich will es ja nicht allzu laut sagen, aber das war wohl schon eine verpasste Chance. So Spinnfäden aus dem Handgelenk schiessen zu können, wär halt schon cool gewesen.
Lukas hat ein vierblättriges Kleeblatt in seiner Handyhülle. In seinem Portemonnaie hat er auch eines. In seiner Jackentasche ebenfalls. In der Schreibmappe. Überall sind sie, die vierblättrigen Kleeblätter.