Manchmal macht mich das glücklich

Doch, doch, dazu kommen mir schon Geschichten in den Sinn, kleinere und grössere.

Zum Beispiel jene vom Eulachpark und dem Kafi Theodor.   

Zwei-, vielleicht dreimal in der Woche gehe ich über Mittag nämlich ins Kafi Theodor, kaufe dort einen Chai Latte und eine Focaccia, meistens Tomaten-Mozzarella, das schmeckt besonders gut, und gehe damit zum Park rüber. Dort setze ich mich, um zu essen, manchmal auf eine Bank, manchmal mitten ins Gras. Aber immer in der Nähe von Kindern.

Ich mag spielende Kinder.

Essen tue ich immer allein. Auf der Arbeit habe ich nicht wirklich Freunde, und über Mittag bin ich froh, etwas Zeit für mich und meine Gedanken zu haben. Ich arbeite in einem grossen Industriebetrieb, mache dort so eine Art Arbeits- und Einsatzplanung – frag nicht weiter. Ich arbeite jedenfalls seit zwei Jahren dort, meine Stelle haben die damals eigens für mich geschaffen, und noch immer ist nicht klar, was meine Stelle alles beinhalten soll. Ja, so ist das halt oft: Schafft man in einem Grossbetrieb eine neue Stelle, müssen sich alle darum herum organisieren. Und das dauert. Aber das ist eine andere Geschichte.

Wenn ich da über Mittag so im Park sitze, denke ich nämlich so gut wie nie an die Arbeit. Ich mache mir Gedanken über andere, wichtigere Dinge. Ich denke an Mamma und Papa. Ich bin in Rumänien aufgewachsen, und meine Eltern wohnen noch immer dort. Ich telefoniere täglich mit ihnen, aber ich vermisse sie, gerade in dieser Zeit, jetzt, wo mein Mann und ich uns dazu entschieden haben, eigene Kinder zu bekommen.

Manchmal sind neben mir, wie ich da im Park so esse, drei Generation vereint. Da sind Töchter und ihre Mütter. Und die Kinder der Töchter. Die Grossmütter füttern meistens die kleinen Babys mit Brei, während die älteren Kinder im Park vor ihren Müttern davonspringen. Immer wieder sind solche Szenen lustig mitanzusehen. Sie machen mich glücklich. Und sie machen mich traurig. Und ich sehe mich dann mit meinen zwei Kindern im Park sitzen, sehe mich das Kleine füttern, sehe, wie das Grössere im Park umherspringt. Und ich sehe meine Mutter. Ich sehe sie, da, ganz weit unten, im Gras, sehe sie in Kleinformat, auf dem Bildschirm meines Smartphones.

Irina erinnert sich an eine Zukunft.

Adrian Soller

Autor, geboren 1981 in der Schweiz, studierte am Medienausbildungszentrum (MAZ) und an der Universität Hamburg. Er publiziert in Magazinen und Wochenzeitungen, schreibt vor allem Portraits, Reportagen und Kurzgeschichten. Seine Reisereportagen wurden ausgezeichnet. Zwischen 2017 und 2022 war er Geschäftsführer und Redaktionsleiter des Kulturmagazins ERNST. Neben dem Schreiben und der Dramaturgie befasst sich Adrian Soller auch mit Improvisationstheater.