Ich weiss, es sind grosse Worte. Doch ich würde von Sehnsucht sprechen. Ja, ich denke, beim Heimkommen geht es um eine heimliche Sehnsucht nach dem Ort der Kindheit, so denke ich mir das. Und dieser Ort hat sich in Bildern festgesetzt, in der Erinnerung. Bei mir ist es der Hof mit dem Birnbaum und dem Brunnen, ein sandiger Hof mit einer nicht gepflegten Rasenfläche, da hinter ist der Hühnerstall. Es war ein Paradies für uns Kinder, wenn wir im Sommer das Heu von den Wiesen holten, wenn wir uns daraus Höhlen bauten, Heunester, in denen wir sassen – unser grosser Bruder hat uns in diesen Höhlen übrigens Geschichten vorgelesen, vielleicht kommt daher meine Liebe für das Theater. Aber ich weiss gar nicht, ob dieser Kindheitstraum wahr ist oder ob er durch die Erzählungen meiner Eltern und meiner Geschwister nach und nach überlagert wurde, das kann auch sein.
Doch sofort, wenn ich daran denke, ist da ein besonderes Licht, ein weiter Himmel, geht es über den Hof hinaus, über das Dach, am Blitzableiter vorbei – es hat da mal mit grossem Blitz und Donner eingeschlagen, das hängt mir immer noch in den Knochen. Diesen Lichthimmel, den ich in meiner Kindheit gar nicht so wahrgenommen habe, habe ich durch die Jahre des Erwachsenwerdens, die ja nicht aufhören, immer mehr ausgedeutet. Es ist ein Wunsch nach der Rückkehr in diese Geborgenheit, in die Freiheit, die aber bestimmt nie so war.
Denn wenn ich nun die Erzählungen meiner Geschwister und meiner Eltern dazuhole, dann ist da auch Not und Elend im Ort, die in meiner Erinnerung als Kind nicht vorkommen: der Bauer, der sich nebenan das Leben genommen hat; oder der Mangel und das Karge, wir hatten lange nur Torf und Buschholz zum Heizen. Aber das hat mich alles nicht berührt; das hindert mich nicht daran, diese Zeit als Heimat zu begreifen und sie im Alltag immer wieder zu suchen.
Und dann ist da noch etwas: Es geht nicht nur um diesen Ort, sondern es ist ein innerer Ruhezustand, den ich spüre: Ich gehöre dazu, ich bin da drin, in dieser Welt mit Brunnen und Birnbaum und Sandhof, wo ich mit einem Stöckchen etwas in den Sand male – ich bin nicht Mensch, sondern ich bin seelischer Teil dieses grossen Universums. Grosse Worte, oder?
Heimat ist ein Konzept, Heimkommen ein Hühnerstall.