Andréa regt sich auf. Ihr Vermieter kassiere zwar jeden Monat 3400 Franken von ihr, mache aber nichts an der Wohnung. Ob Badezimmer oder Fenster, alles müssten sie selbst flicken. Das Haus sehe von aussen aus, als ob es besetzt sei, und das bei der hohen Miete.
Umziehen ist trotzdem keine Option! Denn obwohl Winterthur nicht Zürich sei, seien die Mietpreise doch so hoch, dass sie auf dem Markt nichts Vergleichbares in der Grösse finden würde. Und Andréa braucht Platz, denn Andréa ist nicht allein.
Da ist ihre vierzehnjährige Tochter Sofia, mit der sie mit 24 allein in das Haus, in dem sie heute noch lebt, einzog. Da ist ihre Frau Mailin, die in ihrem Leben schon fünfzehnmal umgezogen ist und innerlich immer schon darauf wartete, irgendwo so sehr zuhause zu sein wie im Haus mit Andréa. Da ist die fünfzehnjährige Pflegetochter Janet, die nach schwierigen Zeiten vor einem Jahr zu ihnen zog und von Sofias bester Freundin zu ihrer Schwester wurde.
Ein Kind brauche eine nächste Bezugsperson, findet Andréa, aber vor allem brauche ein Kind einen guten Ort. Ein richtiges Zuhause. Und weil ein richtiges Zuhause so wichtig ist, zahlt Andréa so viel Miete, an den Vermieter, der nichts macht.
Denn umziehen, das wäre der Horror, da sind sich alle vier einig. Noch vor einiger Zeit wollten die Mädchen gerne in einen modernen Wohnblock mit Lift und Tiefgarage ziehen. Aber mittlerweile wissen sie zu schätzen, was ihr Zuhause ausmacht.
Sie haben genügend Platz. Zu viert bewohnen sie sieben Zimmer auf zwei Stockwerken. Unten wohnt Andréa mit den Mädchen. Dort ist alles sehr farbig. Die Möbel sind aus Überzeugung aus dem Brocki und vom Flohmarkt. Oben wohnt seit vier Jahren Mailin, Andréas Frau. Bei ihr gibt es weniger Farben, denn Mailin mag weisse Möbel und Wände.
Die Katze liebt den Garten. Andréas Haustüre steht immer offen. Nicht nur für die Katze. Die Teenagermädchen dürfen jederzeit Kolleg:innen mitbringen, sofern diese den Ort und das Miteinander respektieren. Und vor dem Betreten der Wohnung die Schuhe ausziehen, da ist Andréa streng. Es darf laut Musik gehört werden und es sind fast immer Leute zu Besuch. Andréa hat auch schon Partys mit vielen Leuten im Haus geschmissen. Das Haus macht alles mit. Es gibt keinen Waschplan und sie könnten auch eine Wand rausreissen, wenn es ihnen danach wäre. Das Haus gibt ihnen Freiheit. So zu wohnen, sei Luxus, sagt Andréa. Zügeln wäre schlimm, richtig schlimm, ergänzt Mailin.
Am liebsten würden sie das Haus kaufen. Andréa träumt davon, in ein paar Jahren mit Mailin, den Kindern und deren Kindern dort zu wohnen. Alle zusammen unter einem Dach. Es fehlen nur noch Millionen Franken.
Andréa, 38, und ihre Frau finden «Umziehen» ein Wort zum Schaudern und wollen in ihrem Haus bleiben